2000
Red Hot Chili Peppers

Californication

Die Red Hot Chili Peppers gelten heutzutage als Exponenten des Mainstream-Rock. Kommerziell gesehen sind sie überaus erfolgreich. Daneben verkörpern sie die Rohheit und Zügellosigkeit der Funk-Metal-Szene in Los Angeles, der sie entstammen. Insofern lässt sich ihr Schaffen am ehesten als ein ständiges Oszillieren zwischen Super-Startum und Massenkompatibilität auf der einen Seite und unangepasst-kritischer Rock-Authentizität auf der anderen verstehen. Ebenjenes Spannungsfeld kennzeichnet auch die klangliche, textliche und visuelle Gestaltung des Songs CALIFORNICATION sowie des dazugehörigen Musikclips.

I. Entstehungsgeschichte

Der Song CALIFORNICATION mit einer Gesamtdauer von 5.21 Minuten wurde am 19. Juni 2000 als vierte Singleauskoppelung des gleichnamigen siebten Studioalbums der Red Hot Chili Peppers veröffentlicht.

II. Kontext

Der Songtitel ist ein Kofferwort aus “California” und “Fornication”, zu Deutsch: Unzucht. Genau genommen bezieht sich der Begriff auf “the haphazard, mindless development that has already gobbled up most of Southern California” (Burton 1972), wie es im Jahr 1972 im TIME-Magazine erstmals formuliert wurde, also auf die planlose, unbedachte Bevölkerungsausdehnung in den ariden Gebieten Südkaliforniens. Der Begriff fand im Westen der USA bereits ab den 1950er Jahren Verbreitung und wurzelt in der wachsenden Migration der kalifornischen Bevölkerung in die angrenzenden Bundesstaaten. Besonders in den direkten Nachbarstaaten Oregon und Arizona wurden Slogans wie “Don’t Californicate Oregon!” politisiert und der Begriff “Californication” sukzessive als abschätziges Synonym für die kalifornische Lebensweise verwendet. Deren Ausbreitung sollte durch regelrechtes Aussperren der ‘Nachbarstaatler’ verhindert werden.

Neben dem Song CALIFORNICATION ist auf dem gleichnamigen Album aus dem Jahr 1999 eine ganze Reihe an Textreferenzen auf Kalifornien vorhanden, welche eine Klassifizierung des Albums als Konzeptalbum durchaus rechtfertigen. So findet sich beispielsweise im Album-Opener “Around the World” die Zeile “I try not to whine but I must warn ya bout the girls from California”. In “Parallel Universe” singt Frontmann Kiedis “Christ I’m a sidewinder, I’m a California King” und in “Road Trippin” heißt es “in Big Sur we take some time to linger on” (Big Sur ist ein ca. 100km langer Küstenstreifen im US-Bundesstaat Kalifornien zwischen San Simeon im Süden und Carmel im Norden). Insgesamt kann festgestellt werden, dass Leben und Lifestyle in Kalifornien (dem Heimatstaat der Band) thematische Bezugspunkte bilden, deren Aufarbeitung spätestens mit dem 1992 auf dem Album Blood Sugar Sex Magik veröffentlichten Song “Under the Bridge” und dem dazugehörigem Musikclip zunehmend kritischer wurde. Der Text des letztgenannten Songs behandelt die einstige Entfremdung des ‘cleanen’ Sängers Kiedis von seinen Bandkollegen aufgrund deren Drogenkonsums. Zudem greift er die Erinnerungen an die eigene Sucht auf. Das Gefühl von Entfremdung und Isolation mündete in der Aussage “Sometimes I feel like my only friend is the city I live in the city of angels lonely as I am together we cry” und gleichzeitig dem an sich selbst gerichteten Wunsch, sich nie wieder so fühlen zu wollen, wie damals “under the bridge downtown” und stattdessen “to the place I love” zurückzugelangen, nämlich zu Freunden, Familie und seinen Bandkollegen.

Kalifornien ist auch das Hauptthema in dem Song “Dani California”, veröffentlicht auf dem Album Stadium Arcadium (2006). Der Songtext schildert das kurze und unstete Leben eines Mädchens aus einfachen Verhältnissen, das am ‘Lebensmodell’ Kalifornien zugrunde geht. Punktuelle Verweise auf “Dani California” finden sich bereits in Textstellen älterer Songs der Red Hot Chili Peppers. In “By the Way”, veröffentlicht auf dem gleichnamigen Album (2002), heißt es “Dani the girl is singing songs to me beneath the marquee” und bereits in CALIFORNICATION könnte mit “a teenage bride with a baby inside” die Figur der ‘Dani’ gemeint gewesen sein. Aufgrund des allgemeinen symbolischen Gehalts dieser Figur können auch die Textzeilen “young Kentucky girl in a push-up bra” und “southern girl with a scarlet drawl” aus dem Song “Scar Tissue”, erschienen auf dem Album Californication (1999), auf sie bezogen werden (vgl. Jost/Klug 2009: 200ff).

III. Analyse

Unternimmt man den Versuch, das Œuvre der Red Hot Chili Peppers grob nach Song-Typen zu ordnen, so fallen vor allem drei Gruppen ins Gewicht:

  1. “klassische” Rock-Songs, mit melodischem Impetus und klarer Trennung von Strophe und Refrain,
  2. schnellere, härtere Stücke, die stilistisch im Funk-Metal früher Prägung verhaftet und eher ostinat-repetitiv konzipiert sind (wie z.B. “Give It Away” und “Suck My Kiss”),
  3. balladenhafte Songs, die eine Atmosphäre der Entspanntheit weiter transportieren – zuweilen auch in akustischer Besetzung gespielt (als Beispiele sind anzuführen “Road Trippin’” und “Scar Tissue”).

CALIFORNICATION ist in die Gruppe der Rock-Songs einzuordnen.

Das Tempo von CALIFORNICATION beträgt ca. 93 bpm, das Metrum verläuft durchgehend im Vierviertel-Takt und die Besetzung mutet ‘klassisch’ an – Gesang, Background-Gesang, Gitarre (I,II), Bass und Schlagzeug (sowie partieller Keyboard-Einsatz mit einem blockflötenartigen Pad-Sound). Der Produzent des Songs (und des entsprechenden Albums) ist Rick Rubin, seinerseits Produzent namhafter Künstler wie The Beastie Boys, Johnny Cash, Neil Diamond. Ebenjener Rick Rubin steht synonym für eine spezifische Strategie des Aufnehmens und Abmischens, die das Ziel verfolgt, das Zusammenspiel der Instrumente möglichst transparent und unverfälscht wiederzugeben, so dass beim Hören der Eindruck eines unmittelbar erlebten Klanggeschehens entstehen kann. Folge hiervon ist u.a. ein spärlicher Einsatz von Klangeffekten.

Für die klangliche Konfiguration des Songs können vier Merkmale als wesentlich erachtet werden. Das erste Merkmal wird auf der Ebene des Formverlaufs verortet. So prägt ein Formblock, der aus Zwischenspiel, Strophe, Bridge, Refrain besteht, die Sukzessionslogik des Songs. Im Ganzen kommt er dreimal vor – Intro, Zwischenspiel, 3. Strophe oder Solo er-klingen davor bzw. dazwischen. Demzufolge liegt über die etwa fünfeinhalb Minuten des Songs – sowohl im Œuvre der Band als auch im Vergleich zu anderen Mainstream-Hits erscheint CALIFORNICATION als eher langes Musikstück – eine gewisse Gleichförmigkeit im formalen Ablauf vor. In dieser formalen Beständigkeit konstituiert die klangliche Differenz der Formteile. Somit wird insgesamt eine zyklische Form etabliert, die durch die deutlich markierte Periodizität klanglicher Veränderung bestimmt wird.

Am dargelegten Formaspekt deutet sich bereits das zweite Konfigurationsmerkmal an: die strophische Dominanz. Im Song sind fünf Strophen à 6 Takte angelegt, im Vergleich zu zwei Refrain-Passagen à 8 Takte und einem verkürzten viertaktigen Refrain-Einsatz. Die strophische Dominanz weist auf eine hohe textliche Informationsdichte hin, so werden in der Strophe schwerpunktmäßig die narrativen Anteile des Songtextes transportiert. Hinzu kommt, dass die Transitional Bridge, obwohl nur als Übergang von Strophe zu Refrain konzipiert, ihrerseits eine gewisse Textfülle bereitstellt. Jenseits quantitativer Dominanz-Effekte ist eine stark ins Kontrastierende gehende Handhabung des Strophe-Refrain-Prinzips erkennbar, d.h. narrativ-informativer Gehalt auf der einen Seite und Exklamation sowie Repetition (“Dream of Californication”) auf der anderen Seite. Sonach konstituiert sich im Song ein Wechselspiel zwischen der kurzen ausgerufenen Hookline im Refrain und den vielsilbigen ausgedehnten Strophen und Bridges. Der stimmliche Vollzug unterstreicht dieses kompositorische Vorgehen, so wird zwischen dem Gestus des “singenden Erzählens” (Strophe und Bridge) und dem Hervortreten als “skandierende Kraftquelle” (Refrain) gewechselt, ein Prinzip, das auch in anderen Aufnahmen der Band, u.a. in Hits wie “Under the Bridge” oder “Other Side” zu beobachten ist.

Dass sich das Moment des Kontrastiven auch im Instrumental-Arrangement niederschlägt, lässt sich an den Übergängen von Strophe auf Bridge und von Bridge auf Refrain aufzeigen. Durch spezifische Klangtexturen heben sich die benannten Formteile voneinander ab. Verschiedene Parameter geben Auskunft darüber, auf welche Art und Weise dies geschieht: Intro, Strophe und Zwischenspiel sind in einer eher durchsichtig gehaltenen Klangtextur verbunden. Auf der Mikroebene der Motive und Riffs offenbart sich dies am Intro-Motiv der Gitarre, das in den benannten Formteilen von prägender Wirkung ist. Die Bassline füllt in weitestgehend komplementärer Rhythmik (und im Wesentlichen basierend auf Intervallsprüngen) die Pausen auf, die das Spiel der Gitarre kreiert. Bezüglich des Drum-Beats kann festgehalten werden, dass dieser insbesondere durch den Achtel-Anschlag auf der Hi-Hat und die Bounce-Rolls auf der Snare-Drum geprägt wird. Mit dem Wechsel von Strophe zu Bridge verdichtet sich die Klangkonfiguration. Der Bass spielt nun (punktierte) Achtel-Figuren, die vornehmlich grundtonzentriert sind. Das Schlagzeug wechselt von der Hi-Hat auf die Ride, wodurch eine durchgehende Klangkulisse vor allem in den oberen Frequenzbereichen entsteht. Punktuell verstärkt wird dies durch Akzente des Crash-Beckens. Der Bounce-Roll-Effekt wird reduziert eingesetzt, wodurch insgesamt der Beat als geradliniger erklingt. Die klanglich-rhythmische Qualität dieses Klanggeflechts wird zudem durch den nunmehr ostinaten, dichten Akkordanschlag der Gitarre geprägt. In der zweiten und dritten Bridge wird die Klangtextur zudem durch eine einstimmige Background-Vokalise auf dem Laut ‘Ooh’ verdichtet. Als verbindendes Element innerhalb des Strophe-Bridge-Kontrastes erweist sich der harmonische Fortlauf auf den Stufen I und VI (in der Bridge wird diese Pendel-Harmonik als Am und Fmaj7 ausgelegt). Im Refrain wird die dichte klangliche Konzeption fortgesetzt, so dass der Übergang an dieser Stelle nicht von der gleichen Signifikanz ist wie zu Beginn der Bridge. Verdichtung ist hier eher auf mikrotonaler Ebene zu erkennen: so zum einen anhand des gesteigerten Gebrauchs des Crash-Beckens und zum anderen durch den nunmehr harten Anschlag des Basses, durch den ein verzerrter Sound entsteht, der weniger Kontur aufweist.

Das vierte Merkmal lässt sich auf der Ebene der Harmonien verorten. So werden in den bislang besprochenen Formteilen harmonische Wendungen umgesetzt, die um das tonale Zentrum a-moll herum rangieren. Ein Austreten aus diesem harmonischen Konzept findet während des Gitarrensolos statt. Hier stellt sich zum einen eine tonale Bewegung im Sinne einer klanglichen Erhöhung durch den Wechsel in die Transpositionsebene +3 (A-Dur) ein. Zum anderen werden zwei mehrtaktige Akkordfolge auf den Stufen VI / IV / VI / IV / II IV / I / V (2x) und II IV / I / V (2x) aneinander gereiht. Das solistische Spiel selbst bringt eine agogisch-dynamische Qualität in die Aufnahme des Songs. Klangliche Grundlage des Solos bildet ein nahezu unverzerrter Gitarrensound mit auffallend vielen Bendings, der auf keine weiteren klar erkennbaren Klangprozessoren zurückgreift. Durch das improvisatorische Zusammenspiel von Soloinstrument und begleitenden Instrumenten wird eine Steigerung bzw. Dynamisierung des musikalischen Geschehens eingeleitet. Die in der ersten Songhälfte etablierte periodische Beständigkeit wird durch den organisch-linearen Verlauf des Solos temporär unterbrochen. Das musikalische Geschehen richtet sich verstärkt an der instrumentalen Performanz der Akteure aus.

Folgend soll die Materialanalyse durch eine konzise Betrachtung der Textebene abgerundet werden. Zu Form und Inhalt des Songtextes ist zunächst anzuführen, dass Strophe und Bridge aus drei bzw. vier Vokalphrasen bestehen. In der Mehrzahl der Strophen bilden diese Phrasen im Zusammenschluss einen Haufenreim mit der Endsilbe -tion, die Bridge ist ihrerseits in einem Paarreim organisiert. Der Refrain setzt sich aus vierfacher (bzw. zweifacher) Wiederholung der Hookline “Dream of Californication” zusammen. Die drei Gesangsphrasen der Strophe repräsentieren jeweils drei Aussagen. Inhaltlich weisen diese starke Brüche auf. Im Verlauf des Stückes wird die scheinbar zusammenhanglose Aussagenreihung weitestgehend durchgehalten. Durch die Auflistung von Akteuren und Lokalitäten wird eine Dezentrierung des geschilderten Geschehens bewirkt. Insgesamt mündet diese Form der textlich-inhaltlichen Gestaltung in der Bildung rekurrenter Oppositionen. Das Leben in Kalifornien, vermeintlicher Kulminationspunkt westlich-abendländischer Zivilisation, wird entlang der diffusen Benennung verschiedener Motive als Paradoxie aus Selbstbestimmtheit und Fremdsteuerung präsentiert. Es wird gemahnt, dass das Individuum in dieser Umwelt der permanenten Gefahr der Infizierung durch eine letztlich nicht zu beherrschende kulturelle Ordnung ausgesetzt ist. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Erzählperspektive eines beteiligten Beobachters eingenommen wird. Dies zeigt sich an jenen Stellen, in denen in die erste Person gewechselt wird, wodurch der “Erzähler” sich als in irgendeiner Form involviert in das Geschehen ausweist.

Führt man die genannten formalen und inhaltlichen Aspekte zu einer globalen Lesart des Songtextes zusammen, so gilt es hierin den konzeptuellen Charakter der textlichen Organisation hervorzuheben. Das Textmaterial wäre demnach zu deuten als kryptische Anordnung inhaltlich nicht kohärenter Aussagen, die erst im Zusammenschluss die ganze Tragweite des paradoxen Lebensmodells “Kalifornien” offenlegen und dadurch eine Art Rätselauflösung oder Lebenshilfe anbieten.

Der Clip zu CALIFORNICATION gründet im Wesentlichen auf Computeranimationen und Performance-Darstellungen der Band. Den realen Musikern nachempfundene Figuren durchlaufen verschiedene Spielräume eines fiktiven gleichnamigen Videospiels. Simultan hierzu wird in Anlehnung an die Ästhetik von Videospielen die “realweltliche” Band-Performance durch ein minimiertes Bild-im-Bild in die Spielwelt integriert. Die Performance findet in einer steppenartigen Kulisse vor blauem, leicht bewölktem Himmel ohne Bezug zu einer traditionellen Aufführungssituation (z.B. Konzert) statt. Diverse Male (zumeist während der Refrains) wird die Performance großflächig gezeigt. In diesen Abschnitten wird die Band bei der (virtuellen) Musikaufführung in der typischen (Live-)Anordnung einer Rockband inszeniert. Die Bandmitglieder präsentieren sich dabei, wie auch zumeist im Rahmen ihrer Live-Auftritte, mit freiem Oberkörper. Der Sänger befindet sich zentral im Vordergrund, der Schlagzeuger zentral im Hintergrund, Gitarrist und Bassist im Vordergrund links respektive rechts neben dem Sänger. Die Verbindung von Bandmitglied und Instrument übernimmt hierbei eine wichtige Orientierungsfunktion, da diese über ihren jeweiligen musikalischen Beitrag mit der Musikproduktion in Verbindung gebracht und somit als Autoren des Musikstücks identifiziert werden können.

Das hervorstechende Blau des Himmels stellt im Zusammenschluss mit dem bräunlichen Erdboden einen direkten Verweis auf Luft und Erde als zwei der vier Elemente dar, zwischen denen die Band angeordnet wird. Das oftmalige Ausstrecken der Arme des Sängers Anthony Kiedis wirkt dabei wie eine Art Verbindung zwischen den Elementen. In diesem Kontext kann das warme und weiche Licht als natürlich, von der Sonne kommend, verstanden werden, was wiederum einen metaphorischen Bezug zu Kalifornien als ‘sunshine state’ herstellt. Die einzelnen Musiker werden in fast allen gängigen Einstellungsgrößen, meist aus Bauch- und Normalsicht, inszeniert. Die gesamte Band wird in den Performance-Fenstern mindestens einmal in einer halbtotalen Einstellung in Frontalsicht gezeigt. Die Montage wird von harten Schnitten kurzer Frequenz und relationalen Typs dominiert. Das bedeutet: Die Schnitte inszenieren sowohl die Beziehungen der performenden Musiker zueinander als auch ihre rhythmischen Bewegungsabläufe und Gesten als Elemente der Musikaufführung.

Die sechs Videospielsequenzen beinhalten insgesamt elf unterschiedliche Spielwelten, die in verschiedener Weise auf die vier Spielfiguren verteilt sind. So durchläuft die Figur des Sängers Anthony drei Spielwelten, die Figuren John und Chad befinden sich jeweils in zwei Spiellandschaften, als letzte durchläuft die Figur Flea nur eine Spielwelt, während des Gitarrensolos und in der finalen Spielsequenz treffen alle vier Figuren in jeweils einer gemeinsamen Spielwelt aufeinander. Der strukturelle Aufbau des Spielfensters bleibt über die Dauer der einzelnen Level gleich, im oberen linken Eck befindet sich das minimierte Performance-Fenster, am unteren linken Bildrand ein an die jeweilige Spielsituation angepasstes Navigationsinstrument und im oberen rechten Eck laufen die Punktzahl der aktiven Spielfigur und die verbleibende Spieldauer mit.
Im Ganzen zeigt sich, dass das Ziel dieses ‘Videospiels’ nur bedingt in der erfolgreichen Bewältigung der einzelnen Level als solchen liegt, sondern viel mehr im Aktivieren des Performance-Würfels durch den Kontakt der einzelnen Spielfiguren mit dem im Spielraum schwebenden roten Bandlogo. Die Zusammenführung der Spielfiguren, deren gemeinsame Aktivierung des Performance-Würfels und ihre anschließende Verwandlung in die realen Red Hot Chili Peppers, auf die der Schriftzug “Game Over” folgt, ist so gesehen das endgültige Ziel des Spiels. Die Anleihen aus der Action-Videospielästhetik fungieren in diesem Sinne als narratives Rahmengerüst.

Letztlich ist es die Kombination aus virtuellen Computerspielwelten und -identitäten, inszenierten realweltlichen Identitäten und musikalischer Rockstilistik, die den spezifischen Reiz dieses Musikclips ausmacht. Die Band fungiert gleichzeitig als Beobachter, Kommentator und unverwüstlicher Teilnehmer des paradoxen Geschehens der “Californication” (vgl. Keazor/Wübbena 2007: 387ff.). Inszeniert wird dieses Geschehen als schwindelerregendes (Computer-)Spiel, im selben Moment wird gemahnt, dass dieses Spiel mit Vorsicht zu genießen ist, denn es verlangt fast übermenschliche Kapazitäten. Ein biographisches Detail, das diesem Clip einen weiteren Bedeutungsaspekt hinzufügt, ist die Tatsache, dass die Red Hot Chili Peppers “Überlebende” des geschilderten Spiels sind. So praktizierten die Mitglieder Anthony Kiedis und John Fruiscante über Jahre hinweg exzessiven Drogenmissbrauch, der sowohl in eigenen Songs thematisiert als auch in den Boulevardmedien kommuniziert worden ist.

IV. Rezeption

Das Album Californication stellt mit ca. 16 Millionen verkauften Exemplaren die kommerziell erfolgreichste Veröffentlichung der Red Hot Chili Peppers dar. Darüber hinaus markiert das Album die Rückkehr des früheren Gitarristen John Frusciante. Folglich liegt die Bedeutung des Albums neben der ökonomischen Dimension in seinem Reunion-Charakter. Die Single-Auskopplungen erreichten in der Mehrzahl hohe Chart-Platzierungen (so auch der analysierte Titelsong). Der Song “Scar Tissue” wurde mit dem Grammy des besten Rock-Songs ausgezeichnet.

Der Musikclip zu CALIFORNICATION hatte am 05. Juni 2000 Premiere, Regie führten Jonathan Dayton und Valerie Faris. Der Clip war bei den MTV Music Video Awards 2000 in den Kategorien “Video of the Year”, “Best Group Video”, “Best Special Effects in a Video”, “Best Direction in a Video” und “Best Art Direction in a Video” nominiert und gewann die beiden letzten Kategorien ebenso wie den “Much Music Video Award” im Jahr 2000 in der Kategorie “Best International Group Video” und im gleichen Jahr den “My VH1 Award” als “Pushing the Envelope Video” (vgl. Pletzer o.J.).

 

CHRISTOFER JOST


Credits

Hauptgesang: Antony Kiedis
Nebengesang, Gitarre: John Frusciante
Bass: Michael “Flea” Balzary
Schlagzeug: Chad Smith
Keyboards: Greg Kurstin
Autoren: Balzary, Frusciante, Kiedis, Smith
Produzent: Rick Rubin
Veröffentlichung: 20. Juni 2000
Länge: 5:21 (Album-Version)

References

  • Jost, Christofer/ Klug, Daniel: Integrierte Bild-Text-Ton-Analyse. Am Beispiel des Musikclips CALIFORNICATION. In: Die Bedeutung populärer Musik in audiovisuellen Formaten (= Short Cuts/ Cross Media 1). Ed. by Christofer Jost et al.. Baden-Baden: Nomos 2009, 197-242.
  • Keazor, Henry/ Wübbena, Thorsten: Video Thrills the Radio Star. Musikvideos: Geschichte, Themen, Analysen. Bielefeld: transcript 22007.

Links

  • Burton, Sandra (1972): “The Great Wild Californicated West”. In: Time.com. URL: htto://www.time.com/time/magazine/article/0,9171,877985,00.html [25.06.2009].
  • Pletzer, Stefan: Spezial. Band: Red Hot Chili Peppers. Komplette Videographie 1985–2002. In: popzoot. URL: http://www.popzoot.tv/spezial_rhcp3.php3 [25.06.2009].

About the Author

PD Dr. Christofer Jost is research associate at the Zentrum für Populäre Kultur und Musik, University of Freiburg, and teaches media studies at the University of Basel.
All contributions by Christofer Jost

Citation

Christofer Jost: “Californication (Red Hot Chili Peppers)”. In: Songlexikon. Encyclopedia of Songs. Ed. by Michael Fischer, Fernand Hörner and Christofer Jost, http://www.songlexikon.de/songs/californication, 12/2011 [revised 10/2013].

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