1970
Simon & Garfunkel

Bridge over Troubled Water

BRIDGE OVER TROUBLED WATER ist der Titelsong des fünften und letzten Albums Bridge over Troubled Water des US-amerikanischen Duos Simon & Garfunkel und wurde am 26. Januar 1970 veröffentlicht. Der Song ist einer der größten Hits des Duos und gilt als dessen Signature Song.

I. Entstehungsgeschichte

BRIDGE OVER TROUBLED WATER wurde von Paul Simon geschrieben, der berichtete, die Komposition des Songs – und insbesondere der Zeilen “Like a bridge over troubled water, I will lay me down” (alle Songtexte entnommen aus Simon 2011) – sei wie eine Eingebung gewesen, so dass er sich verwundert fragte: “Where did that come from? It doesn’t seem like me” (Eliot 2010: 105). Tatsächlich war der Song inspiriert vom Spiritual “Mary Don’t You Weep” in der 1958er Version des Gospelsängers Claude Jeter und den Swan Silvertones, an deren Zeile “I’ll be your bridge over deep water if you trust in me” Simon sich anlehnte. Er selbst hat die Inspirationsquelle Jeter gegenüber offiziell mit einem Scheck über 1.000 Dollar anerkannt (vgl. Hinckley 2009). Der auch in BRIDGE OVER TROUBLED WATER allgegenwärtige Gospelcharakter war von Simon ausdrücklich gewünscht, weshalb er seine ursprüngliche Gitarrenversion für die Aufnahme durch ein Arrangement für Klavier ersetzten ließ. Für diesen Piano-Part wurde Larry Knechtel engagiert, der das Klavierarrangement in wenigen Tagen fertig stellte (vgl. Bennighof 2007: 42). Der Song wurde im Zuge dessen von G-Dur nach Es-Dur transponiert, um Art Garfunkels Stimme am besten zur Geltung zu bringen. Denn Simon hatte Garfunkel gebeten, den Vocal-Part alleine zu übernehmen, da seine Stimmlage dem Gospel-Charakter am besten entsprechen würde – ein Vorschlag, den Garfunkel zunächst ablehnte und den Simon selbst nach dem großen Erfolg des Songs durchaus bereute: “He felt I should have done it, and many times on a stage, though, when I’d be sitting off to the side and Larry Knechtel would be playing the piano and Artie would be singing ‘Bridge’, people would stomp and cheer when it was over, and I would think, ‘That’s my song'” (Eliot 2010: 105).

Ursprünglich bestand BRIDGE OVER TROUBLED WATER aus zwei Strophen. Im Aufnahmestudio jedoch drängten Garfunkel und der Produzent Roy Halee Simon dazu noch eine dritte Strophe zu schreiben, um den Song noch dichter zu machen und mit einer gewaltigen Steigerung enden zu lassen. Für diese dritte Strophe, die er eher widerwillig hinzufügte, ließ Simon sich von seiner damaligen Frau inspirieren, die gerade ihr erstes graues Haar entdeckt hatte. Die Textzeile “Sail on, Silvergirl” bezieht sich damit ausdrücklich nicht auf eine silberne Drogenkanüle, wie vermutet wurde (vgl. Bennighof 2007: 43).

BRIDGE OVER TROUBLED WATER wurde als erster Song des Albums Bridge over Troubled Water fertig gestellt, jedoch als letzter aufgenommen. Die Vocal-Parts wurden in New York eingesungen und geschnitten, die Einspielung der Instrumental-Parts jedoch wurde schon zuvor, am 14. August 1969, in Kalifornien vorgenommen. Sowohl Knechtel als auch die weiteren Musiker Joe Osborn (Bass) und Hal Blaine (Schlagzeug) waren Teil der Wrecking Crew, einem wechselnden Ensemble von Studiomusikern, die sich vor allem durch die Umsetzung von Phil Spectors “Wall of Sound” einen Namen gemacht hatten. BRIDGE OVER TROUBLED WATER greift insbesondere für die letzte Strophe auf diese besondere Art des Sound Recordings zurück. Auch wurden die Drums extra in einer Echokammer aufgenommen, um einen spirituell anmutenden Hall zu erzeugen.

Simon und Garfunkel waren ursprünglich nicht davon ausgegangen, dass BRIDGE OVER TROUBLED WATER die erste Singleauskopplung von Bridge over Troubled Water werden würde. Der Song erschien ihnen mit seiner (Über-)Länge von 4:52 min nicht für eine Radioausstrahlung geeignet. Columbia-Präsident Clive Davis war sich jedoch sicher, dass BRIDGE OVER TROUBLED WATER die richtige Hitsingle war und konnte Simon und Garfunkel nach längerer Diskussion von seiner Meinung überzeugen (vgl. Browne 2011: 43).

Bridge over Troubled Water stellte einen wichtigen Schritt zu Simons Entwicklung als Solokünstler dar (vgl. Bennighof 2007: 41). Denn da Garfunkel sich zu diesem Zeitpunkt mehr und mehr auf seine Karriere als Filmschauspieler konzentrierte und 1969 häufig in Mexiko am Film Catch-22 arbeitete, war Simon quasi hauptverantwortlich für das gesamte Album. Dieses sollte der Höhepunkt, aber auch ein Endpunkt für Simon & Garfunkel werden, denn die ohnehin nie reibungsfreie Zusammenarbeit der beiden Schulfreunde ließ sich aufgrund zahlreicher Meinungsverschiedenheiten ab 1970 zunächst nicht mehr fortsetzen. Nach der Veröffentlichung von Bridge over Troubled Water fuhren die beiden auf eine kurze Promotion-Tour nach Europa (April/Mai 1970), bevor sie im Forest Hills Stadium in Queens im Juli 1970 ihre vorerst letzten gemeinsamen Konzerte gaben.

II. Kontext

BRIDGE OVER TROUBLED WATER ist ohne konkreten außermusikalischen Anlass entstanden. Die begeisterte Rezeption des Songs jedoch, die mit einer massiven Wucht unmittelbar nach der Veröffentlichung einsetzte, lässt sich durchaus mit der damaligen Situation der USA erklären, die von politischen Unsicherheiten und gegenkulturellen Strömungen geprägt war: In den 1960er Jahren hatten sich Bürgerrechtsbewegungen gegen die Benachteiligung der afroamerikanischen Bevölkerung gewandt, was vermehrt zu sozialen Unruhen führte. Dazu kamen politische Bedrohungen wie der Vietnamkrieg, der 1968/69 in eine neue Phase eintrat, und die seit der Kubakrise 1962 andauernde Angst vor einem Nuklearkrieg. Mit Robert F. Kennedy und Martin Luther King waren 1968 außerdem zwei Galionsfiguren der politischen und gesellschaftlichen Umschwünge ermordet worden. Das Land war gespalten in Schwarz und Weiß, Establishment und Counter Culture, liberal und konservativ, und verlangte dringend nach einer “Brücke”, die die politische und soziale Spaltung überwinden konnte. BRIDGE OVER TROUBLED WATER mag mit seinem spirituellen Klang und seinen versöhnlichen Lyrics dem Wunsch nach Frieden und Einheit im Land entsprochen haben. Konkrete politische Anwendung fand der Song als “musical backdrop” (Schoening/Kasper 2012: 148) im Wahlkampf des demokratischen Präsidentschaftskandidaten George McGovern gegen Richard Nixon 1972. Simon and Garfunkel unterstützten McGoverns Kandidatur und führten den Song im Rahmen eines Fund Raising-Konzerts im Madison Square Garden am 14. Juni 1972 persönlich auf.

Der Text von BRIDGE OVER TROUBLED WATER lässt eine Deutungsleerstelle, die auf unterschiedlichste Notsituationen bezogen und damit von konkreten Situationen losgelöst rezipiert werden kann. Grundsätzlich jedoch lässt sich die Grundstimmung nicht nur als spirituell und allgemein religiös, sondern auch als konkret christlich definieren, und zwar sowohl durch den Gospelcharakter der Musik als auch durch den Text, der eine dem christlichen Verständnis von selbstloser Nächstenliebe entsprechende Hilfestellung evoziert. Dass sich diese Grundstimmung auch in der Rezeptionshaltung widerspiegelt, bemerkte Simon selbst, wenn er BRIDGE OVER TROUBED WATER als “standard as far as church is concerned” bezeichnete (Zollo 2003: 97). Mit den betont christlichen Allusionen hat BRIDGE OVER TROUBLED WATER keineswegs eine Sonderstellung in Simons Schaffen, denn auch in zahlreichen anderen Songs finden sich ausdrückliche Verweise auf die christliche Religion, was umso bemerkenswerter ist, als sowohl Simon als auch Garfunkel ansonsten selbstbewusst mit ihrem Judentum umgehen (vgl. Bonca 2014: 23).

III. Analyse

BRIDGE OVER TROUBLED WATER hat einen dreistrophigen Aufbau und steigert sich kontinuierlich im Klang. Während die erste Strophe nur aus der verhaltenen, sanften Solostimme Garfunkels und der filigranen Klavierbegleitung besteht, wird die zweite Strophe durch zusätzliche Instrumente und die stärker hallende, getragene Stimme lauter, voller und deutlich dichter im Klang. Im Zwischenspiel zur dritten Strophe tritt wie von Ferne das Schlagzeug hinzu. Die dritte Strophe schließlich ist mit zusätzlichen Streichern als eindeutiger Höhepunkt im Stil von Phil Spectors “Wall of Sound” gestaltet. Eine dichte orchestrale “Klangmauer” und verhalltes Schlagzeug begleiten den Vocal-Part, der im Gegensatz zu den ersten beiden Strophen mit einer zusätzlichen (höheren) Stimme versehen ist. Durch diese Änderungen unterscheidet sich die dritte Strophe deutlich von den ersten beiden und der Song verliert durch die A-A-A’-Form den typischen Charakter eines einfachen Strophenlieds.

Die Lyrics entsprechen dieser A-A-A’-Form: Während die ersten beiden Strophen von Traurigkeit (“When you’re weary, feeling small”; “When you’re down and out”) und schmerzhafter Einsamkeit (“When times get rough / And friends just can’t be found”, “When darkness comes and pain is all around”) der angesprochenen, passiven Person sowie der Unterstützung durch das lyrische Ich (“I will dry them all”, “I will comfort you / I’ll take your part”) handeln, richtet die dritte Strophe ihren Blick auf eine aktive, vorwärtsgerichtete Lösung der vorherigen Sorgen und Probleme (“Sail on, silvergirl / Sail on by / Your time has come to shine / All your dreams are on their way”). Die Hilfe wird nicht mehr als notwendig, sondern nun nur noch als Begleitung und Rückendeckung beschrieben (“If you need a friend / I’m sailing right behind”). Dieser positiven Grundausrichtung entsprechen auch die Änderungen in der Hookline. Während diese in den ersten beiden Strophen der statisch-passiven Grundstimmung entsprechend lautet: “Like a bridge over troubled water / I will lay me down”, so übernimmt sie in der letzten Strophe die Dynamik der nunmehr aktiven, nicht mehr akut hilfebedürftigen Person: “Like a bridge over troubled water / I will ease your mind”. Die subtilen, aber sehr wirkungsvollen musikalischen Änderungen der letzten Strophe fügen sich mit dem “transzendenten” Text zu einem Gefühl von “new dimensions of emotional richness” zusammen (Bennighof 2007: 42).

IV. Rezeption

Zusammen mit der Veröffentlichung des Albums am 26. Januar 1970 wurde auch die Singleauskopplung zum ersten Mal im Radio ausgestrahlt. Schon zwei Tage später erreichte BRIDGE OVER TROUBLED WATER den ersten Platz der US-Charts (hier und im Folgenden synonym für die Hitlisten des Branchenblattes Billboard verwendet) und behielt diese Position für weitere sechs Wochen. Billboard kommentierte direkt nach der Veröffentlichung ekstatisch: “They are going straight to the top with this beautiful, almost religious-oriented ballad. Performance and arrangement are perfect” (Browne 2011: 43 f.). Auch in Großbritannien, Kanada, Neuseeland und Frankreich wurde BRIDGE OVER TROUBLED WATER ein Nr. 1-Hit, in Deutschland erreichte er Platz 3 der Singlecharts. 1971 gewann der Song vier Grammy-Auszeichnungen (u. a. Record of the Year und Song of the Year) und wurde 2004 vom Rolling Stone an 48. Stelle in die Liste der 500 besten Songs aller Zeiten aufgenommen.

Doch nicht nur bei Kritikern und Käufern, auch bei anderen Künstlern hinterließ BRIDGE OVER TROUBLED WATER seine Spuren. So ist der Song eines der meist gecoverten Stücke des 20. Jahrhunderts. Das erste Cover erschien quasi direkt nach der Veröffentlichung von BRIDGE OVER TROUBLED WATER, was Columbia Records dazu veranlasste, den Song als “instant classic” zu bewerben (Browne 2011: 44). Von den über zweihundert Coverversionen sei insbesondere hingewiesen auf diejenigen von Aretha Franklin, die den Gospelcharakter des Stücks besonders herausstellte (aufgenommen im März 1971, Nr. 1 der US R&B Charts und Nr. 6 der Pop Charts, Grammy Award Best Female R&B Vocal Performance 1972); von Elvis Presley, dessen tiefere und lautere Version (aufgenommen im Juni 1970, im gleichen Jahr auf dem Album That’s the Way It Is veröffentlicht und als Teil von Elvis’ Las Vegas Show aufgeführt) Simon im Sommer 1971 in Las Vegas hörte und daraufhin meinte: “That’s it, we might as well all give up now”; und von Linda Clifford, die auf ihrem Album Let Me Be Your Woman im Mai 1979 eine über zehnminütige up-tempo Disco-Version veröffentlichte (u. a. US Disco Charts Nr. 11).

Zusammenhänge scheinen auch zwischen BRIDGE OVER TROUBLED WATER und dem Beatles-Song “Let It Be” zu existieren, der kurz nach Simon & Garfunkels Song am 6. März 1970 veröffentlicht wurde. Simon hob die Ähnlichkeit der beiden Songs hervor (“They are very similar songs, certainly in instrumentation” [Browne 2011: 154]) und sah im Gospel das Bindeglied zwischen den beiden Songs, während Paul McCartney ausdrücklich sagte, BRIDGE OVER TROUBLED WATER habe ihn während des Schaffensprozesses von “Let It Be” inspiriert (vgl. Zollo 2003: 112). Da die Beatles “Let It Be” jedoch schon im Januar 1969 das erste Mal aufgenommen hatten, kann diese Inspiration sich nur noch auf finale Aspekte der Songproduktion beziehen. Ein gemeinsamer Anhaltspunkt ist sicherlich die Tatsache, dass Phil Spector Ende März einen Remix von “Let It Be” für das Album Let It Be herstellte, für den er auf dieselbe “Wall of Sound”-Technik zurückgriff, die auch in BRIDGE OVER TROUBLED WATER angewandt wurde.

 

MARIE LOUISE HERZFELD-SCHILD


Credits

Vocals: Art Garfunkel
Keyboards: Larry Knechtel
Bass: Joe Osborn
Drums: Hal Blaine
Strings: Jimmie Haskell, Ernie Freeman
Recording: Ted Brosnan
Arrangement: Larry Knechtel, Jimmie Haskell
Songwriting: Paul Simon
Producer: Roy Halee, Paul Simon, Art Garfunkel
Label: Columbia Records
Recorded: 1969
Published: 1970
Length: 4:52

Recordings

  • Simon & Garfunkel. “Bridge over Troubled Water”. On: Bridge over Troubled Water, 1970, Columbia, KCS 9914, US (Vinyl/Album).
  • Simon & Garfunkel. “Bridge over Troubled Water”. On: Bridge over Troubled Water / Keep the Customer Satisfied, 1970, Columbia, 4-45079, US (Vinyl/Single).

Covers

  • Franklin, Aretha. “Bridge over Troubled Water”. On: Bridge over Troubled Water, 1971, Atlantic, 2796, US (Vinyl/Single).
  • Presley, Elvis. “Bridge over Troubled Water”. On: That’s the Way It Is, 1970, RCA Victor, LSP-4445, US (Vinyl/Album).
  • Clifford, Linda. “Bridge over Troubled Water”. On: Bridge over Troubled Water, 1979, RSO/Curtom, RS 921, US (Vinyl/Single, Promo).

References

  • Bennighof, James: The Words and Music of Paul Simon (= The Praeger Singer-Songwriter Collection). Westport (CT)/London: Praeger 2007.
  • Bonca, Cornel: Paul Simon. An American Tune (= Tempo: A Rowman & Littlefield Music Series on Rock, Pop, and Culture 5). Lanham: Rowman & Littlefield 2014.
  • Browne, David: Fire and Rain. The Beatles, Simon and Garfunkel, James Taylor, CSNY, and the Lost Story of 1970. Boston: Da Capo Press 2011.
  • Eliot, Marc: Paul Simon. A Life. Hoboken: John Wiley and Sons 2010.
  • Hinckley, David: “Legendary singer Claude Jeter dies”. In: New York Daily News, 8 January 2009. URL: http://www.nydailynews.com/entertainment/music-arts/legendary-singer-claude-jeter-dies-article-1.421227 [05.07.2016].
  • Schoening, Benjamin S./Kasper, Eric T.: Don’t Stop Thinking about the Music. The Politics of Songs and Musicians in Presidential Campaigns. Lanham u. a.: Lexington Books 2012.
  • Simon, Paul: Lyrics 1964–2011. New York u. a.: Simon & Schuster 2011.
  • Zollo, Paul: Songwriters on Songwriting. Boston: Da Capo Press 2003.

About the Author

Dr. Marie Louise Herzfeld-Schild is a musicologist and currently a research associate (PostDoc) of the junior research group "Transformations of Knowledge" of a.r.t.e.s. Graduate School for the Humanities at the University of Cologne.
All contributions by Marie Louise Herzfeld-Schild

Citation

Marie Louise Herzfeld-Schild: “Bridge over Troubled Water (Simon & Garfunkel)”. In: Songlexikon. Encyclopedia of Songs. Ed. by Michael Fischer, Fernand Hörner and Christofer Jost, http.//www.songlexikon.de/songs/bridgeovertroubledwater, 04/2017.

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